Größte Pokalsensation seit Vestenbergsgreuth

Montag 3. April 2017 von Michael Meinhardt

Am vergangenen Wochenende reiste die erste Mannschaft nach Sankt Augustin, um an der Vorrunde im NRW-Viererpokal teilzunehmen. Neben dem Gastgeber SV Turm Sankt Augustin waren noch die Bergischen Schachfreunde und der große Favorit, der amtierende deutsche Mannschaftsmeister und Titelverteidiger im NRW-Pokal die SG Solingen vor Ort. Das Los bescherte uns am Samstag die uns bereits aus der Vorrunde vor vier Jahren bekannten Bergischen Schachfreunde. Wie damals in Bergneustadt entwickelte sich auch hier ein spannender Kampf. Zunächst musste Uwe Eckardt am vierten Brett seine Gewinnambitionen gegen Oswald Gutt einstellen und bei ungleichfarbigen Läufern ins Remis abwickeln.
Den Führungstreffer erzielte Johannes Karthäuser mit Weiß am zweiten Brett gegen Harm-Wulf Thelen. Johannes erzwang eine schwarzfeldrige Schwäche in der schwarzen Königsstellung, Thelen konnte nur zusehen, wie Johannes dies mit dem Manöver Ta1-e1-e3-g3xg6 und undeckbarem Matt auf g7 ausnutzte.
Auch am ersten Brett sah es nach einem vollen Punkt für uns aus, Sebastian Send hatte gegen Stefan Bosbach eine Qualität gewonnen, musste diese aber kurz vor der Zeitkontrolle zurückgeben. In dem entstandenen Endspiel mit Turm und Läufer auf Bosbachs Seite gegen Turm und Springer bei Sebastian bei beiderseits drei Bauern hatte ich aus der Ferne noch Verlustgefahr gesehen, aber die Spieler sahen dies anders und wickelten ins Remis ab, womit unser Sieg aufgrund der Berliner Wertung feststand.
Daher kann ich glücklicherweise meine Leistung unter den Tisch fallen lassen, ich vergab binnen weniger Züge im Mittelspiel eine klar bessere Stellung und fand mich in einer passiven Ruine wieder. Zum Glück konnte ich in ein remises ungleichfarbiges Läuferendspiel abtauschen und somit immerhin einen halben Punkt beitragen.
Erwartungsgemäß setzte sich Solingen gegen den Gastgeber durch, sodass es am Sonntag zum Showdown gegen den deutschen Meister kam. Wir rotierten an Brett vier und brachten Patrick Scholl ins Spiel, um seine Theoriekenntnisse auf GM-Niveau einem angemessenen Test zu unterziehen. Uwe unterstützte uns als Fahrer, Fotograf und Mannschaftsführer.


Die erfolgreiche Pokalmannschaft gegen Solingen: Michael, Patrick, Johannes und Sebastian (von oben links nach unten rechts)

Die Solinger brachten die gleiche Aufstellung wie am Vortag an die Bretter, am Spitzenbrett spielte der bundesligaerfahrene IM Jörg Wegerle, an den Brettern zwei und drei kamen die Zweitligaspieler FM Thomas Michalczak und FM Oliver Kniest zum Einsatz, das vierte Brett verwaltete Andreas Peschel. Damit hatten wir zwischen 120 (Johannes) und 300 (Sebastian) DWZ-Punkte weniger als unsere Gegner. Bei einem Rundgang nach etwa drei Stunden war davon aber wenig zu sehen. Sebastian hatte an Brett eins mit Weiß nach einem kurzen taktischen Intermezzo ein Remisendspiel erreicht, das er sicher halten würde. Am zweiten Brett hatte Johannes sich mit Schwarz aus einer passiven Stellung befreit und fand langsam aber sicher gute Felder für seine Figuren, während Weiß scheinbar auf der Stelle trat. Ich selbst hatte nach leichten Problemen ausgangs der Eröffnung auf der schwarzen Seite eine ausgeglichene Stellung erreicht, allerdings gab es im Gegensatz zu Sebastians Partie noch reichlich Möglichkeiten für beide Seiten Fehler zu machen. Patrick hatte nach der Eröffnung einen Bauern mehr, sein Gegner setzte auf einen Königsangriff als Kompensation, welcher mir allerdings aufgrund des frühen Damentauschs als nicht gefährlich erschien. Alle Einschätzungen natürlich ohne Gewähr!
Das erste Ergebnis produzierte folgerichtig Sebastian am ersten Brett, der zum wiederholten Male einem Titelträger ein Remis abknöpfte.
Währenddessen hatte ich zielsicher den denkbar ungünstigsten Moment ausgewählt, um mittels Generalabtausch in einem „einfach remisen“ Läuferendspiel zu landen. Leider eine fatale Fehleinschätzung, FM Kniest zeigte präzise, dass das Endspiel für ihn gewonnen war.
Patrick hatte derweil in Zeitnot zwei weitere Bauern eingesammelt, war seinerseits über den schwarzen König hergefallen, hatte eine Qualität gewonnen und – stellte zweizügig einen ganzen Turm ein! Nachdem ich als direkter Augenzeuge (und auch Patrick) den ersten Schreck überwunden hatten, ergab eine Materialzählung, das Schwarz mit lediglich zwei Bauern und zwei Leichtfiguren über sehr wenig Gewinnpotential verfügte und Patrick somit berechtigte Remisaussichten hatte.
Ebenfalls in Zeitnot hatte Johannes das Risiko hochgeschraubt und eine Qualität geopfert. Als Kompensation erhielt er den mächtigen Käpt’n Läuferpaar (unten im Bild), der seinen freien a-Bauern unterstützte, während die verbliebenen weißen Figuren –Turm, Springer und König- auf der andere Seite des Brettes standen. Da auch Johannes‘ König dort noch verweilte, konnte FM Michalczak mittels Matt- und Dauerschachideen den a-Bauern stoppen, musste dafür aber die Mehrqualität zurückgeben, wodurch ein ausgeglichenes Endspiel erreicht wurde.

Patrick steuerte sicher in den Remishafen und auch Johannes fragte, ob er Remis anbieten dürfe, er sähe keine Gewinnidee mehr. Ich stimmte natürlich zu, ein Himmelfahrtskommando gegen einen so starken Gegner wäre eh zum Scheitern verurteilt. Zu unserer Überraschung lehnte FM Michalczak die Offerte ab und suchte seinerseits mit gutem Springer gegen nicht ganz so guten Läufer einen risikolosen Gewinnweg. Diese Suche war zeitraubend und nach einem Königsschritt in die falsche Richtung roch Johannes die Chance und erzwang unter Bauernopfer den Abtausch seines f-Bauern gegen den gegnerischen h-Bauern, wonach auch der andere schwarze Randbauer eine tragende Rolle in der Partie einnahm. Die Endspielregel „Der Randbauer ist der Feind des Springers“ wurde auch hier bestätigt, Johannes führte den Bauern zur Grundlinie und bescherte uns die mit Sicherheit größte Pokalsensation der Vereinsgeschichte.
Das Achtelfinale findet am 27.5. statt, Ort und Gegner stehen noch nicht fest.

Ergebnisse:

Br. DWZ SV Weidenau/Geisweid 1 DWZ Bergische SF 1 2,5:1,5
1 2148 Send, Sebastian 2048 Bosbach, Stefan ½:½
2 2106 Karthäuser, Johannes 1918 Thelen, Harm-Wulf 1:0
3 2038 Meinhardt, Michael 1900 Gelsok, Philipp ½:½
4 2032 Eckardt, Uwe 1919 Gutt, Oswald ½:½
Alle Ergebnisse der 1. Runde
Br. DWZ SG Solingen 1 DWZ SV Weidenau/Geisweid 1 2:2
1 2449 Wegerle, Jörg 2148 Send, Sebastian ½:½
2 2223 Michalczak, Thomas 2106 Karthäuser, Johannes 0:1
3 2264 Kniest, Oliver 2038 Meinhardt, Michael 1:0
4 2163 Peschel, Andreas 1944 Scholl, Patrick ½:½
Alle Ergebnisse der 2. Runde

Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 3. April 2017 um 20:40 und abgelegt unter Allgemeines. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Ein Kommentar über “Größte Pokalsensation seit Vestenbergsgreuth”

  1. Heinz-Roland Send schrieb:

    Herzliche Gratulation an alle 4 Asse zu dieser fulminanten Leistung!
    Im Übrigen haben sowohl der Ausrichter, der SV Turm Sankt Augustin, als auch unser Gegner, die SG Solingen e.V., je einen ausführlichen und lobenden Bericht erstellt. Diese sind nachlesbar unter
    http://sv-turm-sankt-augustin.de/aktuelles/viererpokal-2017-2.-runde.html
    und
    http://www.schachgesellschaft.de/2017/04/02/fruehzeitiges-aus-im-nrw-pokal/#more-17383
    Viele Grüße
    Heinz-Roland